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Herzlich willkommen in unserem geschützten Bereich für Vertriebspartner_innen der amandea Finanzservice zu einem ganz besonderen Thema:

Lebensversicherung: Das „ewige“ Widerspruchsrecht in der Praxis

Kunden von Lebensversicherungsunternehmen haben unter bestimmten Voraussetzungen ein „ewiges“ Widerspruchsrecht – also die Möglichkeit der vollständigen Rückabwicklung des Vertrages. Seitdem der Bundesgerichtshof (BGH) dies vor rund zwei Jahren entschieden hat (Az. IV ZR 76/11).

Laut Allianz können in Deutschland von den BGH-Urteilen bis zu 108 Millionen Versicherungsverträge betroffen sein.

Hinter dem Login möchten wir Ihnen inhaltliche wie fachliche und vor allem abwicklungstechnische Hilfestellungen für das Tagesgeschäft an die Hand geben. Einführende Informationen zum Thema selbst finden Sie in den nachfolgenden 3 Kapiteln.

Betroffen sind Lebens- und Rentenversicherungen, die zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 abgeschlossen wurden.

In der Vergangenheit galt, dass ein Vertrag auch dann als abgeschlossen, wenn der Versicherer dem Versicherungsnehmer den Versicherungsschein, die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) oder eine Verbraucherinformation erst nach der Antragstellung übersandte. Der Kunde_in hatte dann ein Widerspruchsrecht von 14 Tagen; bei Lebensversicherungen betrug die Widerspruchsfrist ab dem 8. Dezember 2004 30 Tage. Diese Frist begann jedoch erst, wenn dem Versicherten die Vertragsunterlagen vollständig vorlagen und er bei Ausreichung des Versicherungsscheins schriftlich und deutlich über das Widerspruchsrecht, den Fristbeginn und die Dauer belehrt worden war.

Selbst wenn der Versicherer gar nicht bzw. nicht ordentlich belehrt hatte, erlosch das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Versicherungsprämie (§ 5a Absatz 2 Satz 4 VVG a.F.). Diese Jahresfrist gilt nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr. Der Versicherte hat somit ein unbegrenztes Widerspruchsrecht, soweit ihn der Versicherer nicht ordentlich darüber belehrt hat.

D.h., wer keine Widerspruchsbelehrung oder unvollständige Unterlagen erhalten hat bzw. bei wem diese Belehrung nicht korrekt formuliert ist, der kann also auch heute noch seinem alten Vertrag widersprechen und bekommt seine eingezahlten Beiträge größtenteils wieder zurück – zuzüglich einer guten Verzinsung.

Es geht grundsätzlich um Lebens- und Rentenversicherungs-Verträge, die zwischen dem 29. Juli 1994 und dem 31. Dezember 2007 nach dem sogenannten Policen- Modell. Hat der Versicherer vor oder bei der Antragstellung nicht bereits alle erforderlichen Verbraucherinformationen erteilt, liegt ein Vertragsschluss nach dem Policen-Modell vor. Der Versicherer hätte nach Vertragsschluss alle Unterlagen zusenden und ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehren müssen, damit die Widerspruchsfrist zu laufen beginnt.

Lebens- und Rentenversicherungsverträge – Es spielt keine Rolle, ob es sich um einen fondsgebundenen Vertrag oder einen Vertrag ohne Fondsanlage handelt. Insbesondere auch Riester-Rentenversicherungen (auch Förderrenten genannt) und Rürup-Rentenversicherungen (auch Basisrentenversicherungen genannt) aus dem obigen Zeitraum fallen unter die Regelung.

Ausgenommen sind dagegen Riester-Fondssparpläne oder Riester-Banksparpläne, da diese über eine Bank und nicht über eine Versicherung laufen.

Berufsunfähigkeitsversicherungen und Risikolebensversicherungen – Bei diesen Verträgen dürfte ein Widerspruch nur in seltenen Ausnahmefällen infrage kommen.

Laufende, gekündigte und abgelaufene Verträge – Versicherte können noch laufende Verträge, als auch bereits gekündigte oder regulär abgelaufene Versicherungen durch einen Widerspruch rückabwickeln lassen.

Verträge nach dem Antragsmodell – Wer schon beim Antrag alle Versicherungsbedingungen und Verbraucherinformationen bekommen hat, hat seinen Vertrag nach dem sogenannten Antragsmodell abgeschlossen. Auch von diesen Verträgen können viele Versicherte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs noch heute zurücktreten. Entscheidend ist, ob der Versicherer den Verbraucher unzureichend belehrt hat. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn die Belehrung drucktechnisch nicht hervorgehoben war. Wegen dieses Formmangels beginnt die Rücktrittsfrist von 30 Tagen nicht zu laufen (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2014, Az. IV ZR 260/11). Es gibt Versicherer einem Widerspruch entgegen halten, dass der vorliegende Vertrag nicht nach dem Policen-Modell, sondern nach dem Antragsmodell abgeschlossen wurde. Für diese Verträge gelte die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht. Das ist falsch. Das Widerspruchsrecht beim Policen- Modell und das Rücktrittsrecht beim Antragsmodell sind gleich zu behandeln.

Eine pauschale Antwort gibt es nicht. Grundsätzlich gilt:

Je jünger der Vertrag, desto eher lohnt sich ein Widerspruch
Dies betrifft vor allem die Verträge aus den Jahren 2005 bis 2007. Hintergrund ist,dass diese Verträge keine Steuerfreiheit mehr in der Auszahlung haben. Des weiteren liegt die Anfangsphase, in der die Abschlusskosten abgezogen wurden, noch nicht so lange zurück. In sehr vielen Fällen liegt der aktuelle Vertragswert unter den eingezahlten Beiträgen. Auch dann noch wenn man die Risikobeiträge für den Versicherungsschutz einbezieht. Selbst 2004 mit dem Steuervorteil abgeschlossene
Lebens- und Rentenversicherungen leiden oft noch unter den abgezogenen Abschlusskosten.

Der aktuelle Vertragswert spielt im Fall eines Riester-Vertrag eine Rolle. Hier werden sowohl die Zulagen als auch die Steuerrückzahlungen abgezogen, die über die Jahre vereinnahmt wurden. Hier ist Vorsicht geboten, wenn man den aktuellen Vertragswert mit den eingezahlten Beiträgen vergleicht. Dennoch kann es sich unter Umständen auch bei einer Riester-Rentenversicherung lohnen, denn auch bei diesen Verträgen sind in der Regel hohe Abschlusskosten angefallen.

Bei älteren Verträgen ist Vorsicht angezeigt:
Dies gilt gerade bei Verträgen aus den 1990er Jahren. Trotz hoher Abschlusskosten kann sich ein solcher Vertrag schon vernünftig entwickelt haben. Außerdem gilt das Privileg einer steuerfreien Auszahlung, das es heute nicht mehr gibt. Ferner haben klassische Kapitallebensversicherungen dieser Tage haben eine vergleichsweise hohe Verzinsung zu heute.